bach.de - Hauptseite

Leben · Ohrdruf

Leben
Werk
Links
Links

Ohrdruf Johann Sebastian Bachs Stiefmutter kann nach dem Tod des Vaters alleine nicht für die Kinder sorgen. Der älteste Bruder Johann Christoph nimmt daher die beiden Jüngsten Johann Jacob und Johann Sebastian zu sich nach Ohrdruf. Er hat wenige Monate vor Johann Ambrosius' Tod im kleinen Örtchen unweit von Eisenach geheiratet und sich dort im Langgassenviertel niedergelassen.

Johann Christoph Bach ist seit 1690 Organist an der Ohdrufer Hauptkirche Michaeliskirche und steht bereits als Musiker und Persönlichkeit in hohem Ansehen. Er wird als ausgeglichener Mensch charakterisiert, der seine Kinder streng, aber freundlich erzieht. 1686 erhielt Johann Christoph Unterricht bei keinem geringeren als Johann Pachelbel, der schon zur damaligen Zeit ein bedeutender und erfahrener Organist ist. Diese Erfahrung gibt er an seine Kinder und jüngeren Brüder weiter. Alle fünf Söhne werden fähige Musiker - seine Nachkommen werden über 100 Jahre lang das Organisten-Amt an der Michaeliskirche innehaben oder als Kantoren an der Lateinschule unterrichten.

Ohrdruf ist kleiner als Eisenach, besitzt aber ein sehr gutes, orthodox lutherisch geführtes Lyceum. Diese evanglische Lateinschule hat sechs Klassenstufen und ermöglicht es, nach Abschluß der Prima an einer Universität zu studieren, falls man ausreichend Latein und Griechisch gelernt hat.

Signum Johann Sebastian besucht die Schule fünf Jahre lang, von 1696 bis 1700, absolviert hier die Tertia, Sekunda und Prima und lernt fleißig Latein, Griechisch, Religion und Musik. Bereits im ersten Jahr ist er Klassenbester, mit 14 Jahren kann er es mit dem Wissen seiner 15- bis 17-jährigen Mitschüler aufnehmen. Als er als Erwachsener nach dem Grund seines Erfolgs gefragt wird, antwortet er:

Ich habe fleißig seyn müssen; wer eben so fleißig ist, der wird es eben so weit bringen können.

Die Lebensumstände sind alles andere als komfortabel. Die Wohnung Johann Christophs ist eng, dessen Einkommen gering. Johann Sebastian wird - wie schon in Eisenach - in den Kurrendechor aufgenommen, der begabten Schülern aus ärmlichen Verhältnissen offensteht, und ihm ein wenig Zubrot einbringt.

St. Michaelis In der Michaeliskirche lauscht er dem Orgelspiel Johann Christophs. Unter Aufsicht und Anleitung seines 14 Jahre älteren Bruders darf er auch selbst spielen. Die Kirche erhielt bereits 1675 eine neue, größere Orgel, die sich allerdings noch im Bau befindet und ständig repariert und verändert wird. Erst 1706, nachdem Johann Sebastian bereits Ohrdruf verlassen hat, wird die Orgel vollendet. Durch diese Erfahrungen trainiert er nicht nur seine Spielkunst, sondern erfährt auch viel über Aufbau, Mechanik und Funktionsweise einer Kirchenorgel.

Querflöte Eine längere und regelmäßig Teilnahme an einem Instrumental- oder Kompositionsunterricht bei einem professionellen Lehrer ist nicht überliefert. Johann Sebastian wird von seinem Bruder in die Kunst des Tonsatzes eingeführt, vor allem bildet er sich jedoch autodidaktisch. Dabei zeigt er schon als Heranwachsender die gleiche Besessenheit und Leidenschaft, das Reich der Musik zu erobern, die man später aus seinen Werken heraushören wird. Die einen wollen ein Handwerk lernen, die anderen wollen berühmt werden, Bach will es wissen! Da es zu dieser Zeit nur sehr wenig gedruckte Noten gibt, schreibt Johann Christoph die Lernstücke handschriftlich in Notenbücher. Schon bald kann Johann Sebastian alle Stücke auf dem heimischen Cembalo fehlerfrei nachspielen.

Die folgende Anekdote zeigt, dass der junge Johann Sebastian einiges in Kauf nimmt, um seine Liebe zur Musik Jakob Frohbergers, Johann Kaspar Kerlls und Johann Pachelbels zu befriedigen:

Die Lust unseres kleinen Johan Sebastians zur Musik, war schon in diesem zarten Alter ungemein. In kurtzer Zeit hatte er alle Stücke, die ihm sein Bruder freywillig zum Lernen aufgegeben hatte, völlig in die Faust gebracht. Ein Buch voll Clavierstücke, von den damalig berühmtesten Meistern, Frobergern, Kerlen, Pachelbeln aber, welches sein Bruder besaß, wurde ihm, alles Bittens ohngeachtet, wer weis aus was für Ursachen, versaget. Sein Eifer immer weiter zu kommen, gab ihm als folgenden unschuldigen Betrug ein. Das Buch lag in einem blos mit Gitterthüren verschlossenen Schrancke. Er holte es also, weil er mit seinen kleinen Händen durch das Gitter langen, und das nur in Pappier geheftete Buch im Schranke zusammen rollen konnte, auf diese Art, des Nachts, wenn jedermann zu Bette war, heraus, und schrieb es, weil er auch nicht einmal eines Lichtes mächtig, bey Mondenscheine, ab. Nach sechs Monaten, war diese musicalische Beute glücklich in seinen Händen. Er suchte sie sich, insgeheim mit ausnehmender Begierde, zu Nutzen zu machen, als, zu seinem größten Herzeleide, sein Bruder dessen innen wurde, und ihm seine mit so vieler Mühe verfertigte Abschrift, ohne Barmherzigkeit, wegnahm.

Im Jahr 1700 wird Johann Sebastian Bach 15 Jahre alt, ein Alter, in dem man zur damaligen Zeit auf eigenen Beinen stehen sollte. Johann Sebastian hat als zweitbester Schüler seiner Klasse erfolgreich die Primarreife absolviert und die Aussicht noch länger in Ohrdruf zu bleiben, ist nicht wirklich attraktiv. Johann Christophs Familie hat sich mit der Geburt von Tochter Christiana Sophia am 21. August 1697 bereits vergrößert und seine Frau erwartet ein weiteres Kind (Johann Bernhard, * 24.11.1700), benötigt daher dringend den Wohnraum. Johann Sebastian verläßt Ohrdruf "ob defect. hospitios", also aus Mangel an Wohnraum, wie ein (allerdings unsauber geschriebener) Eintrag im Schulregister vermerkt.

Johann Christoph nutzt seine musikalischen Beziehungen. Elias Herder, der neue Kantor des Lyceums empfiehlt Johann Sebastian an das Michaeliskloster in Lüneburg, wo nicht nur Mettensänger fehlen, sondern auch Freistellen zur Verfügung stehen. Zusammen mit seinem zwei jahre älteren Schulfreund Georg Erdmann beginnt er im Frühjahr 1700 seine 320 Kilometer lange Wanderreise in den Norden.

Windrose 1700-1702 · Michaelis-Klosterschule in Lüneburg und musikalische Ausflüge nach Hamburg